Archiv der Kategorie: Plattformpolitik
Kabel, Protokolle, Plattformen und Tribes – Vier Strukturen des Internets
/**** Für die Architekturzeitschrift [ark] 2-2017 habe ich einen Text über Strukturen des Internets geschrieben. ****/ Das Internet ist vielschichtig und lange nicht nur das offenkundige World Wide Web, mit dem fast jeder täglich zu tun hat. Es gibt Millionen und Abermillionen Prozesse, die im Hintergrund ablaufen, und ständig bilden sich neue, oftmals ungeplante Strukturen, die zum Teil in erheblichem Maße unseren Alltag bestimmen und lenken. Michael Seemann gibt Einblick in eine Welt jenseits unserer Vorstellungskraft, von der wir so wenig wissen, obwohl ein Leben ohne sie unvorstellbar scheint. Ich klicke auf einen Link. Ein Bit wird zusammen mit einigen anderen vom Arbeitsspeicher meines Computers rüber in die Netzwerkkarte kopiert, wo es in ein Funksignal umgewandelt wird. In Lichtgeschwindigkeit hat es den WLAN-Router in der Abstellkammer erreicht, der es sodann durch das dicke Netzwerkkabel an das DSL-Modem weiterschickt. Dort wird das Bit in eine elektrische Frequenz verwandelt, einen Puls, der durch das Kupferkabel meiner Telefonleitung das Haus verlässt. Die vielen Leitungen aus den vielen Wohnungen aus den vielen Häusern aus dem Block versammeln sich schließlich im DSLAM, einem dieser hellgrauen, schulterhohen Hartplastikboxen, die so unscheinbar an der Straße stehen. Alle Daten aus den Häusern, aus den Wohnungen und den Routern … Weiterlesen
Societies of Post-Control (Talk)
This was my opening keynote at the conference „Societies of Post-Control“ in January 2017 in Amsterdam.
Netzwerkmacht: Macht in Zeiten der Globalisierung
In meinem recht populären Artikel „Die Globale Klasse“ attestiere ich ebendieser eine bestimmte Form von Macht. Es ist die Macht, Standards zu setzen und die Macht, die Moral zu definieren. An dieser Analyse haben sich einige gestoßen. Gerade, weil ich die globale Klasse so breit definiere – eben nicht einfach als „die Eliten“ – scheint die Macht, die sie haben, doch recht beschränkt. Mittellose Berlinhipster wie ich – so der Vorwurf – würden sich in dieser Analyse nur selbst überhöhen. Was für eine Macht soll das überhaupt sein? Und warum sind andere davon ausgeschlossen? Das sind alles berechtigte Fragen, denen ich mich in diesem Text stellen will. Macht ist ein komplexes Thema zu dem sehr viel kluge Dinge gesagt wurden, die ich hier nicht wiederholen will. Aber zur Sicherheit sei erwähnt, dass ich durchaus mit Max Weber, Foucault und Gramsci vertraut bin, behaupte aber, dass all diese Stimmen der Form der Macht der globalen Klasse nicht gerecht werden. Aber David Singh Grewal wird es.1 Er hat meines Erachtens die theoretische Grundlage zur Erklärung von Macht in Zeiten der Globalisierung und des Internets geliefert und es ist ein Unding, dass er noch nicht in allen Seminaren auf dem Lehrplan steht. Network … Weiterlesen
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Das Ende der Konsumentenrente oder Wert und Preis Teil III
Big Data verändert den Kapitalismus gerade grundlegend und zwar auf eine Weise, von der noch viel zu wenig gesprochen wird. Big Data macht sich auf, die Konsumentenrente zu bedrohen und das wird die gesamte Ökonomie völlig umkrempeln und zwar zu unser aller Nachteil, wenn wir nicht aufpassen. Aber bevor wir dazu kommen, erstmal eine kleine Rückblende. Was bisher geschah Dies ist gewissermaßen ein weiterer, ungeplanter Anschlusspost an meine Marxkritik1. Deswegen sei die noch mal zusammengefasst: Ich kritisiere die Arbeitswerttheorie von Marx, die besagt, dass der Wert einer Ware 1. sich aus der abstrakt geleisteten Arbeit, die zu ihrer Herstellung notwendig ist, herleitet und dass sich 2. dieser Wert in dem Preis der Ware ausdrückt. Wir haben hier also beides: eine Werttheorie und eine Preistheorie. Beide finde ich nicht überzeugend und ich habe dargelegt, warum. Ich diskutiere in dem Zusammenhang auch die konkurrierende, „bürgerliche“ Preis/Wert-Theorie namens Grenznutzentheorie, die besagt, dass der Wert nicht von der Anbieterseite, sondern von der Nachfrageseite bestimmt wird. Zumindest als Preistheorie finde ich sie ebenfalls nicht überzeugend. Mein Fazit: Was den Wert anbelangt, lehne ich das Konzept generell ab, da es keinerlei Entsprechung in der realen Welt und keine Aussagekraft über irgendwas hat. Was den Preis angeht, … Weiterlesen
Die Gewalt der Plattform und der Preis des Postkapitalismus
Sascha Lobo hat vor einiger Zeit das Wort des Plattformkapitalismus geprägt. 1 Ich war damals sehr dankbar dafür, weil ich der Meinung war, dass es die Diskussion um die sogenannte „Sharing Economy“ wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Plattformen sind kapitalistische, wenn nicht sogar hyperkapitalistische Firmen, so war ich damals der Meinung, die auch in meinem Buch Ausdruck findet.2 Seit ich Paul Masons Buch Postkapitalismus gelesen habe 3, bin ich mir da aber nicht mehr so sicher. Nicht, dass ich Mason in allem zustimmen möchte, aber ich glaube, er hat einen Punkt, der nicht ganz wegzudiskutieren ist. Ich will mich hier vom Reflex befreien „Da fließt Geld, also ist das Kapitalistisch“ zu rufen und mich stattdessen in eine tiefere Analyse der Ökonomie der Plattform begeben, um noch mal grundsätzlicher nach dem postkapitalistischen Moment in der Plattformökonomie zu suchen. Vorsichtshalber sage ich es vorweg: das Aufspüren eines postkapitalistischen Moments ist nicht die Behauptung, dass heutige Plattformanbieter bereits jenseits des Kapitalismus operieren oder keine kapitalistischen Unternehmen seien. Es bedeute vielmehr, dass sie grundlegende Mechaniken ins Werk setzen, die nicht mehr kapitalistisch sind, die vielleicht sogar dem Kapitalismus als System und Funktionsweise gegenüberstehen. Und im weitestest aus dem Fenster gelehnten Fall: dass … Weiterlesen
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Steuerungsverlust
Ich war gerade eine knappe Woche paddeln. Wir fuhren mit einem Kanadier Kanu namens „Kirschkuchen“ auf der mecklenburgischen Seenplatte herum und ich war dabei meist der Steuermann – also derjenige, der hinten paddelt. Es war nicht das erste Mal, dass mir beim Paddeln diese Aufgabe zuteil wurde, aber sie eine so lange Zeit auszuführen, ermöglichte mir, meine Steuerkompetenzen auszubauen und sie gleichzeitig zu reflektieren. Denn natürlich passiert dabei immer mal wieder ein Kontrollverlust, oder sagen wir besser „ein Steuerungsverlust“. Kontrolle und Steuerung sind im englischen ein Wort (control) und tatsächlich spricht wenig dagegen, Kontrolle und Steuerung synonym zu verwenden. Deswegen will meine gewonnenen Erfahrungen nutzen, um ein wenig über den Steuerungsverlust nachzudenken. Zunächst einmal ist „steuern“ eine Tätigkeit, von der wir eine ziemlich verzerrte Vorstellung haben. Wir sind gewohnt, dass Steuerung direkt passiert, so wir es beim Auto- oder Fahrradfahren gewohnt sind. Man lenkt etwas nach links, das Fahrzeug bewegt sich entsprechend, man lenkt nach rechts, etc. Das ist aber keinesfalls die Standardsituation des Steuerns, vielmehr überlagert die überlegene Steuerbarkeit unserer Alltagsfahrzeuge genau das, worauf es beim Steuern überhaupt ankommt. Beim Paddeln hat man noch ein sehr elementares Steuererlebnis. Jeder Paddelschlag hat eine steuernde Wirkung. Abhängig davon, ob ich ihn … Weiterlesen
Vortrag: Netzinnenpolitik – Grundzüge einer Politik der Plattformgesellschaft
Mein re:publica-Vortrag von diesem Jahr spinnt die These der Plattformgesellschaft weiter und definiert die Plattform als leviatnistischen Akteur, dem immer mehr die Aufgabe zuteil wird, den Netzinnenraum zu befrieden.
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Das Internet nach dem Internet – Eine persönliche Anamnese
/** Dieser Text basiert auf einem Vortrag, den ich im Rahmen einer Tagung an der Universität Köln gehalten habe und wird demnächst in einem zugehörigen Reader veröffentlicht. **/ Vor etwa 2,4 Milliarden Jahren brach eine einzigartige Naturkatastrophe über die Welt hinein. Eine neue Spezies, die Cyanobakterien, hatten sich im Kampf der Evolution durchgesetzt und machten sich daran, alle anderen Spezies mittels eines aggressiven Giftes auzulöschen. Ein Großteil der bis dahin lebenden Organismen fielen dem Massaker zum Opfer. Die Nachfahren dieser Massenmörderspezies nennen wir heute „Pflanzen“ und ihr tödliches Gift war der Sauerstoff. Das neue Gift atmete ich etwa Anfang der 90er. Ein Freund von mir wählte sich oft in das FidoNet ein. Eine Art Proto-Internet, was aber eigentlich nur ein System von Mailboxen beschrieb, bei dem man sich einwählen konnte und das automatisiert Daten austauschte. In diesem Netz konnte man bereits mit Unbekannten kommunizieren. Man lud Texte und Bilder herunter, diskutierte und schloss Freundschaften. Wenige Jahre später sah ich meine erste Website. Es war Spiegel Online. Ich zuckte mit den Schultern. Es gibt doch schon Zeitungen, dachte ich mir. Doch das Schulterzucken hielt nicht lang. Meine erste eigene Mailadresse holte ich mir im Web. 1997 bei GMX. Ich wollte mit … Weiterlesen
Plattform vs. Staat – Es wird interessant
Jeder staatliche Regulierungsanspruch, der an Plattformen herangetragen wird, wird dort letzten Endes in zentralistischer Kontrolle umgesetzt und stärkt so die politische Machtstellung der Plattformbetreiber. Auf der anderen Seite sind Plattformen geradezu gezwungen, das Recht des einen Staates gegen das Recht des anderen durchzusetzen. Der zweite Treiber des Kontrollverlusts dekonstruiert gerade durch die Kooperation der Plattformen mit den Staaten ihre eigene Grundlage: die durch Grenzen definierten Jurisdiktionen. Das schrieb ich vorletztes Jahr in „Das Neue Spiel„. Wir sehen seit geraumer Zeit die sich aus diesem Zusammenhang ergebenden Konflikte fast täglich in den News. Sei es Facebook vs. EU-Datenschutz, sei es das Recht auf Vergessenwerden vs. Google, sei es der Kampf Apples für Verschlüsserlung gegen die US-Politik oder die vielen regionalen Konflikte, in denen sich Uber befindet. Überall knallen Regulierungsbestrebungen von Staaten mit den international ausgelegten Strukturen von Plattformen aneinander. (Siehe dazu ausführlicher meinen Beitrag auf Online Open) Nun ist ein Gerichtsurteil erfolgt, das uns grundsätzlicher aufhorchen lassen sollte. In Frankreich entschied ein Gericht, dass Facebooks Löschung von – aus seiner Sicht unangebrachter Nacktheit – nach französischem Recht ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Meinungsfreiheit ist. So weit, so gut. Hier freuen sich die Netzpolitikaktivist/innen, die bis zum Ende ihrer Nasenspitzen … Weiterlesen
Die Webregierung, Teil I – Der Tod des Open Web
Auf unserem Talk auf der re:publica haben Sebastian Gießmann und ich beschrieben, wie in den letzten 10 Jahren eine Transition vom Netzwerk hin zur Plattform stattgefunden hat. Plattformen entstehen, wenn sich Netzwerke verstetigen und mittels Ausprägung von bürokratischen Medien wie Standards, Protokollen – oder meistens: einem zentralistischen Regime – institutionalisieren. Das hat zur Folge, dass auf der einen Seite Handlungsspielräume einschränkt, dafür aber neue Sicherheiten geschaffen werden. Diese Sicherheiten ermöglichen dann wieder neue, oft komplexere Nutzungspraktiken. Der Siegeszug der zentralistischen Plattformen steht dabei ganz besonders im Widerspruch zu vielem, was Ende der 90er Jahre unter dem Paradigma des Netzwerkes gefeiert wurde. Die erfolgreichsten Plattformen sind heutzutage zentralistisch, kontrollwütig und in sich geschlossen. Eines der prominenteren Opfer dieser Plattformisierung ist das Open Web, also die Idee eines rein auf offenen Standards basierenden Netzwerkes von einander unabhängig betriebener Websites. Die Merkmale Offenheit und Dezentralität haben das Web zuvorderst attraktiv gemacht und zu seinem Siegeszug geführt. Sie haben aber auch Player hervorgebracht, die es nun massiv bedrohen. Die Revolution frisst ihre Eltern. Facebook hat einmal als eine Website unter vielen Millionen angefangen. Doch dieses Netzwerk im Netzwerk saugte über die letzten Jahre die Usecases des Webs und damit die Nutzer/innen fast vollständig in … Weiterlesen