Kontrollverlust und „Privatsphäre“

Postprivacy ist ein interessanter Diskurs, aber er hat eine Macke. Die meisten Dinge, über die wir reden – jedenfalls im Zuge dessen, was ich den Kontrollverlust nenne – lassen sich nur unter äußersten Schwierigkeiten über den Begriff des „Privaten“ adressieren.

Denn: Was ist überhaupt private Information?

Ein paar Beispiele:

Ist mein momentaner Aufenthaltsort „privat„? Ich mein: wenn ich nicht zu hause bin, dann bin ich meist unterwegs. Und zwar in der Öffentlichkeit.

Und zuhause? Ist meine Adresse „privat„? Meine Telefonnummer? Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es das normalste der Welt war mit diesen Daten in großen Büchern verzeichnet zu sein, die in jedem Haushalt herumlagen. Adressen und Telefonnummern galten zumindest sehr lange als öffentliche Information.

Ist mein Gesicht privat? Ist es nicht genau so öffentlich wie meine Hausfassade? Wenn Algorithmen mich auf der Straße – also in der Öffentlichkeit – erkennen, wie kann dann meine Privatsphäre davon berührt sein? Ist es privat, was ich in der Öffentlichkeit tue?

Geht es eigentlich überhaupt um „Privatsphäre„, wenn wir über Gesichtserkennung, Locationdienste und das „StasiPhone“ reden? Die Juristen sprechen ja lieber von „personen bezogenen Daten„. Wenn wir uns aber über diese Dinge unterhalten, dann geht es eher um ein creepiges Gefühl, das einen beschleicht, wenn Dinge von uns einfacher, leichter, schneller und/oder umfassender beobachtbar werden, als es vorher der Fall war. Und dabei ist es völlig egal, ob sich das dann im Privaten oder in der Öffentlichkeit abspielt.

Freunde haben mich schon immer auf der Straße erkannt, ich konnte schon immer irgendwo getroffen und damit geomarkiert und zur Not auch verfolgt werden.

Insofern passt der Streetview-Diskurs in der Tat hier mit hinein. Es ist zwar immer noch richtig, dass mit StreetView keinerlei „Privatsphäre“ verletzt wird. Aber eben genau so viel und so wenig, wie bei den ganzen anderen Beispielen. Was passiert, ist, dass alles leichter zu durchsuchen, weiterzuverarbeiten und zu verknüpfen wird. Auch das Private, aber eben nicht nur und nicht mal in erster Linie.

Ich glaube genau deswegen habe ich immer ein Problem mit dem Begriff „Postprivacy„. Ja, das ist auch ein Thema, ja, das ist auch ein Diskurs, aber er trifft das Problem nicht wirklich auf den Kopf. Jedenfalls nicht ohne ordentliche Verrenkungen bei den Versuch mal zu umschreiben, was Privatsphäre denn nun alles so sein soll. Ich hoffe, @plomlompom findet da eine gute Lösung.

Dieser Beitrag wurde unter Kontrollverlust, Postprivacy abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

17 Kommentare zu Kontrollverlust und „Privatsphäre“

  1. Pingback: Linkschau, die Vierte. | Die datenschutzkritische Spackeria

  2. Pingback: Aktuelles 27. April 2011

  3. Pingback: die ennomane » Blog Archive » Links der Woche

  4. Pingback: Über Post-Privacy-Spacken und Machtfrage » Blog vom Karpfenweg

  5. Pingback: Wie aus Informationen Macht erwächst » Blog vom Karpfenweg

  6. Pingback: Kontrollverlust oder Kontrolltransformation? « Herr Krueger's Weblog

Schreibe einen Kommentar zu Christian Edom Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.