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Leseprobe: Die Macht der Plattformen

Heute erscheint mein neues Buch, Die Macht der Plattformen. Wie mein erstes Buch, basiert es in vielerlei Hinsicht auf den in diesem Blog entwickelten Thesen. Die Kernthese des Buches ist, dass eine spezifische Form der Macht gibt, die ich Plattformmacht nenne und die ich in dem Buch im Detail analysiere. Plattformmacht besteht aus zwei Teilen: Netzwerkmacht und Kontrolle. Die Kontrolle wiederum kommt als unterschiedliche Hebel daher, die ich im 4. Kapitel darstelle. Unter diesen sechs Kontrollregimes findet sich zum Beispiel die Kontrolle des Zugangs zur Plattform (Zugangsregime), die Kontrolle über die Sichtbarkeit von Dingen auf der Plattform via Algorithmen (Queryregime), das Interfaceregime, das Verbindungsregime und so weiter. Das erste Regime, dass ich bespreche, ist das Infrastrukturregime. Der hier veröffentlichte Auszug aus dem Buch stellt es vor: Das Infrastrukturregime 2014 gibt Facebook bekannt, über 50 neue Geschlechterkategorien im Registrierungsprozess einzuführen.1 Das Medienecho ist riesig. Egal, ob die jeweiligen Kommentator*innen den Schritt begrüßen oder problematisieren, wird er doch allgemein als ein einschneidendes Ereignis gelesen. Und zwar zu Recht. Denn digitale Infrastrukturen prägen Gesellschaften. Das gilt nicht nur für die Geschlechterfrage. Das größte soziale Netzwerk strukturiert mit seinen Kategorien und Klassifikationen unseren kulturellen Kosmos ganz entscheidend mit. Egal, ob »es ist kompliziert« als … Weiterlesen

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Warum die Festlegung auf die dezentrale Variante der Corona-Warn-App ein Fehler war

Nächste Woche soll die Corona-Warn-App herauskommen. Es gab die letzten Wochen viele Diskussionen über technische Hintergründe, vermeintlichen Gefahren für die Privatsphäre und den Sinn und Unsinn dieser App. Ich habe mich lange Zeit eher auf der Befürworterseite der App wiedergefunden. Nun sind aber Erkenntnisse über das Virus bekannt geworden, die die ganzen Dikussionen in einem neuen Licht erscheinen lassen. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass insbesondere das Beharren auf dem dezentralen Ansatz ein entscheidender Fehler war, der das ganze Unterfangen jetzt nahezu sinnlos gemacht hat. Aber von vorn. Kontaktverfolgung Contact Tracing – oder Kontaktverfolgung – ist grundsätzlich erstmal eine sehr sinnvolle und effektive Maßnahme zur Pandemiebekämpfung. Dabei wird die Kontakthistorie von erkrankten Menschen erfragt und diese Kontakte werden dann ihrerseits gebeten sich zu isolieren. Es geht darum, Infektionsketten zu durchbrechen, also dafür zu sorgen, dass Leute, die in Gefahr sind, sich angesteckt zu haben, ihrerseits niemanden mehr anstecken. Gerade bei Covid19, bei dem Ansteckungen oft symptomfrei passieren, ist ein solches Vorgehen besonders wichtig. In der Praxis geschieht das erstmal manuell, mit speziell geschultem Personal. Sie interviewen die kranke Person und sie telefonieren hinter den Kontakten hinterher. Diese Praxis hat mehrere Probleme: 1. Sie ist sehr personalaufwändig, die Gesundheitsämter mussten dafür bereits … Weiterlesen

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Die große Manipulations-Erzählung

/***** Dieser Text erschien im Magazin Hohe Luft Kompakt (Sonderheft 1/20). Dies ist die unredigierte Version, aber dafür mit Fußnoten. ******/ Es war im Jahr 1957, als ein Amerikaner namens James Vicary herausfand, dass man Menschen mittels bewusst kaum wahrnehmbarer Botschaften manipulieren kann. Blendet man zum Beispiel im Kino für den Bruchteil einer Sekunde die Botschaft „Esst mehr Popcorn“ ein, steigt nachweisbar der Popcorn-Umsatz. Vicarys Studie zu „Sublimnal Stimuli“ wurde weltberühmt. Allerdings nicht durch Vicary selbst, sondern über ein Buch, das im selben Jahr Furore machte: „Die Geheimen Verführer“ von Vance Packard.1 Dort wird unter anderem Vicarys Studie beschrieben, natürlich negativ, als Warnung an uns alle. Die Welt war zutiefst beunruhigt und das Wissen um Sublimnal Stimuli hat sich bis heute im kulturellen Unterbewusstsein festgebissen. Im Kultfilm Fight Club von 1999 hat sie einen Auftritt als Tyler, der im Film als Kinovorführer jobbt, einzelne Bilder aus einem Porno in einen Hollywoodfilm schneidet, woraufhin die Kinder anfangen zu weinen. Wie viele spannende Geschichten, hat auch diese einen Haken. Das Experiment von James Vicary war rein erlogen und „Sublimnal Stimuli“ gibt es nicht. Obwohl Vicary in einem Interview von 1962 selbst zugab, das Experiment zur Steigerung des Umsatzes seines Marketingunternehmens erfunden zu … Weiterlesen

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An Unsettling Question for Digital Capitalism

/****** This Essay was first published in German at „Aus Politik und Zeitgeschehen“ and also as an extended version on this blog. The translation was provided by Lisa Contag. ******/ A spectre is haunting (not only) Europe — the spectre of digital capitalism. And as is fitting for the times we live in, it comes in many shapes and colours: as information capitalism, data capitalism, platform capitalism, surveillance capitalism and cognitive capitalism. A multitude of digital capitalisms have come into existence, however, they essentially indicate the same thing: that we are witnessing fundamental changes. And this exact point leads me to the unsettling question: is this still capitalism? When using the word “unsettling”, I don’t mean the discomfort the authors of numerous and diverse characterizations of digital capitalism obsess about. My goal is not to demonstrate that capitalism’s new digital variety is worse than all its predecessors. My unease rather concerns capitalism itself. I figuratively place my hand on its shoulder, as it were, and quietly ask: “Everything ok there, capitalism?” While many authors identify capitalism to have further radicalized in its digital version, my impression is the opposite. I believe capitalism isn’t doing well at all in the digital … Weiterlesen

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WasWäreWenn-Mag: Gestapelte Demokratie

/***** Für das WasWäreWenn-Magazin habe ich mich mal wieder in konstruktiven Vorschlägen geübt und eine Idee unterbreitet, wie man Plattformen sinnvoll demokratisieren kann. Das ist schwerer als zu kritisieren und auch undankbarer, denn man macht sich angreifbar. Aber nach so vielen Jahren, in denen ich Demokratsierungsversuche von Plattformen kommen und gehen habe sehen, weiß ich zumindest, wo einige der Fallstricke liegen. Das Thema ist kompliziert und verlangt nach einer komplexen Lösung und ich habe zumindest eine Möglichkeit gefunden, bei der ich gerade keinen Grund finde, warum sie scheitern sollte. Was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht scheitern würde, denn noch hat sie niemand ausprobiert. Kritik ist sehr willkommen. ****/ Es ist eine Hass­lie­be, die die Gesell­schaft mit den Platt­for­men wie Face­book und You­tubepflegt. Auf der einen Sei­te geben sie vie­len Men­schen das ers­te Mal eine Stim­me, mit der sie sich in der Öffent­lich­keit arti­ku­lie­ren kön­nen, oft sogar poli­tisch (es gab zumin­dest mal eine Zeit, als das als etwas Gutes galt). Auf der ande­ren Sei­te han­delt es sich um Wirt­schafts­un­ter­neh­men, die jeden Cent aus unse­rer Auf­merk­sam­keit und unse­ren per­sön­li­chen Daten pres­sen wol­len. Zudem ähneln die­se Orte weni­ger öffent­li­chen Plät­zen, als viel­mehr pri­va­ten Ein­kaufs­zen­tren, in denen man nur wenig bis kei­ne Rech­te und Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten hat. Es … Weiterlesen

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Fünf beunruhigende Fragen an den digitalen Kapitalismus (Directors Cut)

/***** Für die Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung „Zu Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) habe ich meinen Vortrag über den digitalen Kapitalismus vom vom letzten Herbst verschriftlicht. Aus Platzmangel wurde er rund um die Hälfte zusammengekürzt, auch wenn die Grundaussage gut erhalten blieb. Dennoch erlaube ich mir hier nun die Directors Cut Version zu posten, für alle, die gerne noch ein paar mehr Argumente hören möchten, warum der digitale Kapitalismus vielleicht not so much ein Kapitalismus ist. Die APuZ kann man hier runterladen oder bestellen. *****/ [PDF Download] Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des digitalen Kapitalismus. Und wie es sich im konsumgeilen Kapitalismus ziemt, kommt er in vielen Formen und Farben: Informationskapitalismus, Daten-Kapitalismus, Plattform-Kapitalismus, Surveillance Capitalism und kognitiver Kapitalismus. Der digitalen Kapitalismen gibt es mittlerweile so viele, dass man sich wie bei Rossmann vor dem Shampoo-Regal fühlt. Ich habe mir einen Großteil der Literatur angeschaut und ich habe Fragen. Genauer gesagt habe ich fünf beunruhigende Fragen an den Kapitalismus. Mit „beunruhigend“ meine ich im übrigen nicht dieselbe Unruhe, in die sich die Autor/innen der unterschiedlichen Digital-Kapitalismus-Beschreibungen hineinsteigern. Es geht mir nicht darum, zu zeigen wie nun diese neue, die digitale Spielart des Kapitalismus schlimmer ist … Weiterlesen

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The History of Digitalisation in Five Phases

/**This is a shortened translation of my text „Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen“ by Julian Rybarsky for a hand-out publication of the FFT-Festival „Claiming Common Spaces II“ where I had the honor to speak. **/ There is no English word for “Digitalisierung”. Instead, one speaks of “technology”, “artificial intelligence” or “innovation”, also addressing different topics and various debates each time. In Germany, the term embraces all those processes of structural adaptation that the introduction of digital technology into our everyday lives entails. It allows us to perceive heterogenous processes as one whole, but it also makes the conspicuous vastness of the phenomenon seem intimidating. I subdivide the history of “Digitalisierung” into four phases that successively lead from the 1980s to our present day. The idea is to generate enough acceleration in the narration of the four phases to use them as a platform for the future – that is, the fifth phase – and to dare a related speculation. Phase One: Early Networking Utopias (1985 – 1995) Computers already existed in the 1970s, although they were very large, and mainly installed at universities, in military compounds or at big corporations. Most people knew of them only by way … Weiterlesen

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Wikimedia: Ist die digitale Gesellschaft noch zu retten?

/** Beim Wikimedia-Salon saß ich zu dem Buchstaben „V“ wie Vertrauen auf einem Panel. Zudem habe ich die letzte Zeit viel zu der Wikipedia und ihrer Krise geschrieben, als auch über die Geschichte und Zukunft der Digitalisierung. All das fließt in diese längere Reflexion zur Zukunft der digitalen Gesellschaft ein, in der ich auch versuche Hoffnung zu schöpfen. Ich hoffe, das ist gelungen. **/ Wir sprechen über die digitale Gesellschaft, als ob wir wüssten, was das ist. Oder als wäre die digitale Gesellschaft einfach der Nachfolger der analogen Gesellschaft. Also dieselbe Gesellschaft, nur mit Online-Banking, Amazon statt Einkaufszentrum und Facebook-Gruppe statt Stammtisch. Ich empfinde es als Vorteil, dass wir in Deutschland die „Digitalisierung“ auch als gesellschaftlichen Prozess diskutieren. Leider läuft man dabei schnell in die Gefahr zu glauben, es reiche, die vorhandenen Strukturen zu nehmen und einfach digital neu zu denken. Die Rede von „Digitaler Gesellschaft“ scheint mir genau in diese Falle zu laufen, denn sie übersieht, dass Gesellschaft – egal ob als abstraktes Gebilde oder konkrete Struktur – immer auch ein Produkt medialer Bedingungen ist. Das hat bereits der Lehrer und Mentor von Marshall McLuhan – Harold Innes – verstanden. In seinem Buch „Empire and Communications“ von 1950 zeigt … Weiterlesen

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Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen

Es gibt kein englisches Wort für “Digitalisierung”. Dort spricht man je nachdem von „Technology“, “Internet”, “Artificial Intelligence” oder „Innovation“ und adressiert damit auch jeweils andere Dinge und unterschiedliche Debatten. In Deutschland hat sich der Begriff hingegen vor allem in der Politik durchgesetzt und bildet eine Klammer für all die strukturellen Anpassungsprozesse – politische, wirtschaftliche, kulturelle – die die Gesellschaft durch den fortschreitende Einzug der digitalen Technologie in unseren Alltag nach sich zieht. Es ist ein Vorteil der deutschen Sprache, diese doch sehr heterogenen Prozesse als ein großes Ganzes betrachten zu können. Es hat aber auch Nachteile, da die schier unübersehbare Größe des Phänomens einschüchternd, gar erdrückend wirken kann. Klar ist, die Digitalisierung wälzt die gesellschaftlichen Strukturen um. Aber um zu klären, wie das geschieht – um sich einen Überblick zu verschaffen – muss man den Monolithen „Digitalisierung“ zunächst wieder aufsprengen. Nicht in seine vielfältigen Bestandteile (dann würde es wieder unübersichtlich), sondern systematischer. Zum Beispiel historisch. Was ich hier versuchen möchte, ist eine “narratologische Rampe” zu bauen. Ich teile die Geschichte der Digitalisierung in vier Phasen ein, die nacheinander von den 80er Jahren bis heute reichen. Die Idee ist, bei der Narration der vier Phasen genügend Beschleunigung generieren, um über die … Weiterlesen

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Fünf beunruigende Fragen an den digitalen Kapitalismus

Tatsächlich denke ich seit Jahren über das Thema nach. Mein Buch hatte damals die wesentlichen ökonomischen Zusammenhänge rund um Kontrollverlust und Plattformkapitalismus weitestgehend ausgeklammert. Das kam mir damals bereits als Mangel vor aber … ich war noch nicht so weit. Die Theoriebildung zu diesem Vortrag hat sich vor allem entlang meiner Beschäftigung mit Marx, Wert und Preis entwickelt, einiges hatte ich hier auch schon verbloggt. Zum Nachlesen: 1. Alles begann mit der Wert-Theorie von Marx. Die ich ablehne und hier begründe warum. 2. Da ich aber auch das Gegenmodell der klassischen Wirtschaftswissenschaften (die Grenznutzentheorie) nicht überzeugend fand, habe ich mich weiter damit befasst und darüber nachgedacht, wie Wertschöpfung in Zeiten des Kontrollverlusts mittels Plattformen bewerkstelligt wird. Daraus ergab sich die Frage nach der Überkommenheit der Eigentumsordnung im digitalen. Nachzulesen hier: Die Gewalt der Plattform und der Preis des Postkapitalismus. 3. Ein dritter Stein zum Puzzel kam mit der im Vortrag genannten Uber-Studie und der Erkenntnis, dass Preisdiskriminierung eigentlich eine radikale Abkehr vom Marktprimzip bedeutet: Das Ende der Konsumentenrente oder Wert und Preis III. Weitere Anstöße waren dann noch vor allem das Buch „Capitalism without Capital“ von Jonathan Haskel und Stian Westlake, sowie meine kritische Beschäftigung mit Robert J Gordons „Rise … Weiterlesen

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