Das neue Spiel – Nach dem Kontrollverlust

Seit einem Monat betreibe ich nun das Crowdfundingprojekt zu dem Buch, das ich zu schreiben vorhabe: »Das neue Spiel – nach dem Kontrollverlust«. Es ist jetzt schon das vierterfolgreichste Crowdfunding-Buchprojekt in deutscher Sprache. Und das, obwohl noch gar nicht so klar ist, was genau der Inhalt des Buches sein wird. Das möchte ich nun ändern und hier offenlegen, was ich vor habe. (Ich habe tatsächlich bis jetzt gebraucht das im Detail auszuarbeiten, deswegen kommt das so spät.)
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Hier zunächst die vorläufige Gliederung*:

Einleitung
Teil I. Kontrollverlust

Die drei Treiber des Kontrollverlusts

  • – Was ist der Kontrollverlust?
  • – Es gibt kein analoges Leben im Digitalen
  • – Streisand und ihre Schwestern
  • – Die Krankenakte des Tutenchammun

Das Ende der Ordnung

  • – Aufstieg und Fall des Archivs
  • – Die 3 Grundgesetze des Digitalen
  • – Queryology

Nach der Privatheit

  • – Was ist Post-Privacy?
  • – Diagnose, Utopie, Lebensstil
  • – Informationhiding als Mikropolitik

Die Krise der Institutionen

  • – Die Kontrollrevolution
  • – Das Partizipations-Transparent-Dilemma
  • – Weltkontrollverlust

Aufstieg und Funktion der Plattformen

  • – Vom Netz zu Google vs. Facebook
  • – Eigentum, Sex, Cloud
  • – Die Ökonomie und Ökologie der Plattform
  • – Regulierung und Schließung

Eine Utopie in Trümmern

  • – Hoffnung auf Holzwegen
  • – »Ich hab doch nichts zu verbergen«
  • – Game Over

Teil II. Das Neue Spiel

Neues Spiel, neues Glück

  • – Hashtagrevolution
  • – Die digitale Aufklärung
  • – Neues Spiel, neue Trolle

Umkehrung der Öffentlichkeit

  • – Distributed Reality
  • – Das radikale Recht des Anderen
  • – Filtersouveränität

Überwachung und Privatsphäre

  • – Überwachung und Post-Privacy
  • – Der Kampf gegen die Strafregime
  • – Die Antiquiertheit der Disziplinarregime

Plattformneutralität

  • – Politik in Zeiten des Kontrollverlusts
  • – Dezentrale Social Networks
  • – Das politische Denken der Plattformneutralität

10 Regeln im neuen Spiel

  • – 1. Man kann das Spiel nicht gegen den Kontrollverlust spielen.
  • – 2. Macht hat, wer die Plattform kontrolliert
  • – 3. Wissen ist, die richtige Frage zu stellen.
  • – …

Was tun als …?

  • – Politik?
  • – Staat?
  • – Gesundheitssystem
  • – Wirtschaft?
  • – politischer Aktivist?
  • – Privatmensch?

Nach dem Kontrollverlust

  • – Geht der Kontrollverlust vorbei?
  • – Digitaler Feudalismus
  • – Ein Tag im Jahr 2025
  • – Gesellschaftliche Singularität

Editional

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Das Buch gliedert sich als in zwei Hauptteile: Im Ersten geht es darum, den Kontrollverlust und was er mit der Welt macht, zu verstehen. Im zweiten Teil soll es darum gehen, aus diesem Wissen Regeln abzuleiten – das neue Spiel zu verstehen – um es zu spielen.

Teil I

Wir gehen sofort in medias res. In »Die drei Treiber des Kontrollverlusts« wird der Kontrollverlust anhand von Beispielen seiner Wirkung analysiert. Die drei Treiber: 1. die Verdatung der Welt, 2. die Beschleunigung der Datenströme und 3. die steigende Aussagekraft der Daten durch unvorhergesehne Verknüpfungen werden anhand von Beispielen wie dem Aufstieg und Fall von Wikileaks, den Programmen der NSA-Spionage, sowie anhand von Einzelbeispielen deutlich gemacht.
(Siehe dazu meinen SPEX-Artikel und Kontrollverlust)

Noch ist der Kontrollverlust eine These. In »Das Ende der Ordnung« wird daraus eine Theorie. Es wird die Entwicklung der Medientechnologie nachgezeichnet und gezeigt, wie seit Erfindung des Computers nicht mehr die Wirkung der Aufzeichnungsgeräte gesellschaftlich bestimmend ist, sondern wie sich mit dem Aufstieg der Query – der Abfragesysteme, wie moderne Datenbanken bishin zu Big Data – das Medienverhältnis auf dem Kopf stellt. Statt wie bisher die Ordnung des Wissens zu generieren und zu reproduzieren, kann die Query aus vergleichsweise unstrukturiertem Wissen in Echtzeit Ordnungen erschaffen. Ordnung ist somit nichts Statisches mehr, sondern geschieht im Augenblick der Abfrage.
(Siehe David Weinberger: das Ende der Schublade, Queryology)

Eine sehr offensichtliche Folge des Kontrollverlusts ist das Ende der Privatsphäre. Es gibt verschiedene Konzeptionen von Privatsphäre. Die meisten sind – spätestens seit Snowden – kaputt. In »Nach der Privatheit« fasse ich den aktuellen Diskurs zusammen, aber unterteile die Betrachtung in »Post-Privacy als Diagnose«, »als Utopie« und »als tatsächlichen Lebensstil«. Hier interessieren wir uns zunächst für Diagnose. Ich werde die Geschichte der Privatsphäre kurz anreißen und ihre Funktion in der bisherigen Gesellschaft darzustellen versuchen. Meine These: Die derzeitige Disruption der Privatsphäre wird nur deswegen hingenommen, weil auch ihre gesellschaftliche Funktion weitgehend obsolet geworden ist. Das gilt aber nicht für alle Aspekte des Privaten: ich zeige auf, wo und wie Privatsphäre weiterlebt, sogar hier und da zu einem herrschaftsstützenden Problem wird.
(Siehe auch David Brin: Transparent Society, Christian Heller: Prima leben ohne Privatsphäre und Post-Privacy)

Auf einer höheren Ebene wirkt der Kontrollverlust als eine »Krise der Institutionen«. Statt eingeschalteter Mittelsmänner/Stationen, ermöglicht es die Query Leute, Medien und Interessen direkt miteinander zu verschalten. Durch die daraus sich ergebende zusätzliche gesellschaftliche Komplexität geraten Ordnungsprinzipien, formale Prozesse und damit auch Macht unter Druck und werden unterlaufen, sogar bekämpft. Das hat durchaus prositive, aber auch viele negative Folgen, vor allem aber zwingt es die Gesellschaft dazu, neue Kontrollmechnismen auszuprägen.
(Siehe Dirk Baecker: Die nächste Gesellschaft, Beniger: The Control Revolution und auch Weltkontrollverlust)

Eines der wichtigsten Ergebnisse der gerade stattfindenden »Control Revolution« (Beniger) ist meines Erachtens der Aufstieg der Plattformen. Plattformen schaffen es – auf transnationaler und vergleichsweise informeller Ebene – zunehmend die Infrastruktur bereitzustellen, auf der Gesellschaft stattfindet. In »Aufstieg der Plattformen« zeige ich, wie die gesunkenen Transaktionskosten für Kommunikation dazu führen, dass sich zentrale Anbieter zur Vernetzung durchsetzen und sogar so wichtige Institutionen wie das Eigentum nach und nach überformen. Alles wird zur Plattform und Plattformen werden zum zentralen Kontrollparadigma der nächsten Gesellschaft. Plattformen gehorchen aber auch eignen ökonomischen Dynamiken, die es zu verstehen gilt und neue Gefahren gebären. Vor allem profitiert der Zentralismus ausgerechnet von den gesellschaftlichen Kontrollbedürfnissen gegenüber Informationen, das gilt sowohl für Urheberrechte, als auch für den Datenschutz.
(Siehe mein Vortrag auf der Openmind 13– aber auch die Vorträge zum Ende des Eigentums)

In »Eine Utopie in Trümmern« analysiere ich die bisherigen Heils- und Untergangsversprechen über das Netz und deren Status-Quo nach Snowden. Die Enttäuschung hat meiner Ansicht nach eine zentrale Ursache: die Erwartungshaltungen gegenüber den neuen Technologien beschränkten sich wie üblich darauf, zu glauben, dass durch das Neue das Bestehende verbessert würde: So wie die Musikindustrie sich über die CD freute, freuten sich die Demokratiefreunde über die Vernetzungsleistung der Internets. Alle samt mussten aber feststellen, dass das Neue nicht kam, um zu verbessern, sondern alles grundlegend zu verändern. Es kann dabei durchaus sein, dass alles erstmal schlechter wird, wenn das Alte seine Macht verliert und verzweifelt verteidigt und es für das Neue noch keine Strukturen und Verarbeitungsroutinen gibt. Solange sich die Gesellschaft also nicht auf das neue Spiel eingestellt hat. Genau da stehen wir.
(Am ehesten scheint die Richtung bei der Antwort auf Sascha Lobo durch.)

Teil II

Im Kapitel »Neues Spiel, neues Glück« breche ich mit der negativen Stimmung vom Ende des letzten Kapitels. Ich zeige, wie all die besprochenen Effekte des Kontrollverlusts auch Schönheit, Emanzipation, Wissen, Solidarität, Freiheit und Problembewusstsein geschaffen haben. Wie sie neue Wege ermöglichen, gesellschaftliche Fragestellungen neu zu beantworten. Wie insbesondere im politischen Prozess bereits grundlegende Fortschritte gemacht wurden und welche Potentiale da noch bereitliegen. Ich bringe einige der Beispiele, die zeigen, wie mithilfe des Netzes – und des in ihm enthaltenen Kontrollverlusts – politischer Aktivismus aufblühte und emanzipative Anstöße gelangen.
Ich möchte aber auch zeigen, wie aus dieser erhöhten politischen Komplexität auch neue Problemfelder entstehen. Trolle, Maskulinisten und Nazis nutzen ebenfalls das Netz als Strukturverstärker und machen das Leben vieler zur Hölle. Gleichzeitig differenzieren sich auch politisch, emanzipative Positionen so weit aus, dass sie sich immer weiter segmentieren. Mit anderen Worten: die Komplexität steigt erheblich.
(Siehe meinen Vortrag auf der SigInt 13: Why We Fight (Each Other))

In »Umkehrung der Öffentlichkeit« zeige ich, wie die Ursache des Problems gestiegener Komplexität gleichzeitig deren Lösung ist. Im Zeitalter immer billiger werdender Speicher und immer mächtiger werdender Querys verändert sich unser Verhältnis und unser Anspruch an Öffentlichkeit. Eli Parisers Problematisierung der »Filterbubble« ist nichts anderes als die Beschreibung einer gesellschaftlich notwendigen Ausdifferenzierung mithilfe von technischen Mitteln. Wir können nicht mehr das ganze Bild im Blick haben, wir können nicht mehr jedem Diskurs folgen und jedem da draußen zur Antwort bereitstehen. Und wir müssen es auch nicht mehr. Mithilfe der Query wird Öffentlichkeit individualisiert. Das ist gut und notwendig um die gestiegenen Komplexität zu bewältigen, bereitet aber durchaus neue Probleme. Ich leite dennoch daraus ein unbedingtes Recht auf Filtersouveränität ab, das vor allem eine radikale Forerung an Informationsfreiheit beim Bereitsteller von Informationen vorsieht.
(siehe auch: Eli Pariser: Filterbubble und meine Ideen zur Filtersouveränität)

In »Überwachung und Privatsphäre« widme ich mich einer überkommenen Erzählung, nämlich, dass Überwachung und Privatsphäre miteinander verschränkte Antagonisten seien. Dem ist nicht so: Weder schafft es die Privatsphäre adäquat vor Überwachung zu schützen, noch zielt Überwachung nur auf die Privatsphäre ab. Der Kampf gegen Überwachung ist wichtig, darf sich aber nicht auf den untauglichen Versuch beschränken, die Privatsphäre wieder herstellen zu wollen. Überwachung muss dort angegriffen werden, wo ihre Auswirkungen die Menschen tatsächlich beschränken – im Privaten wie im Öffentlichen: beim Disziplinarregime. Am Ende ordne ich den Kampf gegen Überwachung ein, in den Kampf gegen überkommene Kontrollstrukturen des alten Spiels: die Disziplinargesellschaft geht dem Ende zu, Überwachung wie wir sie kennen, ist ein Auslaufmodell. (Achtung: das heißt nicht, dass sie verschwinden wird, sondern nur, dass sie eine immer unwichtigere Rolle im Machtgefüge spielen wird.)
(Siehe zum Beispiel Post-Privacy und Anti-Überwachung)

Im ersten Teil habe ich Plattformen als den Mittelpunkt der neuen Kontrollregime beschrieben. Auch sie müssen eingehegt werden durch politische Prozesse. Im Kapitel »Plattformneutralität« sollen Wege aufgezeigt werden, wie das gehen kann. Im ersten Schritt geht es um eine Ausweitung des Konzeptes der Netzneutralität auf die Plattformen. Das Ziel müssen meiner Meinung nach dezentralere, unkontrollierbarere Strukturen sein, die diskriminierungsfreien Zugang und Kommunikation für alle bedeuten. Dazu will ich ein paar konkrete Vorschläge machen. Im zweiten Schritt soll es darum gehen, Plattformneutralität als politisches Konzept auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen tragfähig zu machen. Insbesondere im Kampf gegen die Disziplinarregime, ist Plattformneutralität ein gutes Tool, um die Abhängigkeiten der Leute gegenüber Mächten aller Art zu verringern und so auch Überwachung zu bekämpfen.
(Siehe auch Plattformneutralität)

Das Neue Spiel ist in seinen Grundzügen nun genug skizziert, um daraus konkrete Regeln ableiten zu können. In »10 Regeln im neuen Spiel« schreibe ich also die grundlegendsten Regeln auf. Drei habe ich ja bereits in meinem Video genannt: 1. Man kann das Spiel nicht gegen den Kontrollverlust spielen. 2. Macht hat, wer die Plattform kontrolliert. 3. Wissen ist, die richtige Frage zu stellen. Weitere werden lauten: Informationskontrolle stärkt Zentralisierung, etc.
(Eine frühe Version findet sich bei den 10 Thesen zum neuen Spiel)

Ich möchte die Leute aber nicht nur mit abstrakten Spielregeln zurücklassen, sondern auch konkrete Ratschläge geben. Das tue ich in »Was tun als …?«. Dort übersetze ich die Regeln des neuen Spiels für verschiedene gesellschaftliche Bereiche, von der Wirtschaft, über den Aktivismus bis zum privaten Individuum. Ich erkläre, warum wir mithilfe der schwindenden Macht des Staates noch umbedingt grundlegende Richtungsänderungen einleiten müssen. Z.B. brauchen wir ein diskrimisuerungsfreies Gesundheitssystem, vollkommen trnasprarente politische Prozesse, ein grundlegendes Umdenken in Einreise und Zuwanderungspolitik, ein internationales Abrüstungsabkommen für Geheimdiente, etc. Auf aktivistischer Seite brauchen wir den Datascientist-Hacker, einen informierten Pragmatismus beim Einsatz von Social Media und Datentechnologie, und realistische Zielsetzungen. Das Individuum sollte sein Leben auf relative Autonomie zu ihn kontrollierenden Mächten auslegen, hat dazu aber auch neue Möglichkeiten. Die Gesellschaft sollte die Chance nutzen, dass diskriminierende Strukturen gegenüber den Bedürfnissen von Minderprivilegierten im neuen Spiel sichtbarer werden und sie aktiv bekämpfen.

In »Nach dem Kontrollverlust« gebe ich einen Ausblick auf die Gesellschaft der Zukunft. Eine Gesellschaft, die keine falschen Erwartungen mehr an die Kontrollmechanismen in der Gesellschaft stellt, sondern das neue Spiel spielt. Ich kann aber nicht sagen, dass es ein optimistischer Ausblick wird. Ich versuche, die neuen Chancen genau so wie die neuen Risiken zu adressieren. Zunächst, so befürchte ich, arbeiten wir uns durch eine Phase des digitalen Feudalismus. Noch sind die Plattformbetreiber die Großgrundbesitzer und wir ihre Kommunikationsleibeigenen. Ich glaube aber, dass die Entwicklung dort nicht stehen bleiben wird und wir im Jahr 2025 bereits eine ganz andere Welt bewohnen, die ich beschreiben will. Ich versuche mich da an einer Art Science-Fiction. Zum Schluss gebe ich einen Ausblick auf das, was ich mal »Gesellschaftliche Singularität« genannt habe. Das ist der Zustand, wenn die Gesellschaft auch auf individueller Ebene funktioniert, ohne, dass wir noch verstehen könnten, wie; wir aber dennoch genug Vertrauen in diese Prozesse haben, uns in sie fallen zu lassen.

* Natürlich kann sich da noch viel ändern, aber im groben sind das die geplanten Kapitel.

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